Li Tai Po

Zen (Bild: Shutterstock)
(Bild: Shutterstock)

Von Walter Winter, 5. April 2018

Der Pavillon aus Porzellan

Aus dem Chinesischen von Hans Bethge.

Mitten in dem kleinen Teiche
Steht ein Pavillon aus grünem
Und aus weißem Porzellan.

 Wie der Rücken eines Tigers
Wölbt die Brücke sich aus Jade
Zu dem Pavillon hinüber.

In dem Häuschen sitzen Freunde,
Schön gekleidet, trinken, plaudern, –
Manche schreiben Verse nieder.

Ihre seidnen Ärmel gleiten
Rückwärts, ihre seidnen Mützen
Hocken lustig tief im Nacken.

 Auf des kleinen Teiches stiller
Oberfläche zeigt sich alles
Wunderlich im Spiegelbilde:

Wie ein Halbmond scheint der Brücke
Umgekehrter Bogen. Freunde,
Schön gekleidet, trinken, plaudern,

Alle auf dem Kopfe stehend,
In dem Pavillon aus grünen
Und aus weißem Porzellan.

 

Das Gedicht von Li Tai Po aus dem 8. Jh. zählt zu meinen Lieblingsgedichten. Die wie hingeworfenen Verse handeln von Freundschaft und sind voller, leichter Anmut.

Ein lauer Sommerabend, vielleicht scheint der Mond, Freunde sitzen in einem Pavillon, sie sind entspannt und lesen, schreiben auch Verse nieder, Plaudern. Die kleine Gemeinschaft ist vergnügt, in sich ruhend. Die Mützen sitzen schief auf den Köpfen, die seidenen Ärmel sind nach hinten gerutscht. Alles hat etwas verzaubertes, so wie die Brücke, die über den kleinen Teich zum Pavillon führt, gespiegelt im Wasser aussieht wie der Rücken eines Tigers. Traum und Wirklichkeit fließen in Eins.

In der Vertonung von Gustav Mahler im Lied von der Erde bekommt das Gedicht Li Tai Pos noch eine weitere träumerisch aufgeladene und verspiegelte poetische Schwingung die bezaubert.

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