Stilübungen

von Raymond Queneau

Die „Stilübungen“ erweitert und neu übersetzt von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel.

Ein Autobus der Linie S im Paris der vierziger Jahre, ein Beobachter und Alltag. Es passiert fast nichts.

Der Autor schildert, wie ein junger Mann mit langem Hals und einem Hut mit Kordel anstatt eines Hutbandes in den Bus der Linie S einsteigt, sich auf der Plattform über das Gedränge ärgert,  sich weinerlich aggressiv darüber beschwert, dass er angerempelt wird, dann einen freien Platz erspäht, sich darauf stürzt und kurz darauf aussteigt.
Der Beobachter sieht diesen jungen Mann wenig später wieder an der Gare Saint-Lazare im Gespräch mit jemand anderem, der ihn darauf aufmerksam macht, dass er seinen Mantelknopf versetzen lassen sollte.

In unzähligen sprachlichen Varianten wird nun diese simple Geschichte immer wieder neu erzählt. Unter anderem im Stile eines Haiku, eines Verhörs, eines Schauerromans, im Dialekt oder Sonett. In ihrer Musikalität und Rhythmik erinnern die Stilübungen an die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach.

Die Kunst der Übersetzung besteht nun darin, die verschiedenen Bedeutungsebenen des Französischen adäquat in die deutsche Sprache zu übertragen. Dies ist kongenial und mit humoristischem Augenzwinkern gelungen.

Heibert und Schmidt-Henkel setzen noch einen Schelmen drauf, indem sie eigene Varianten hinzufügen.

Kurzum ist dies ein gelungenes Werk, welches die große Variationsbreite der Sprache und die hohe Kunst der Übersetzung auf vergnügliche Art ausbreitet.

Man könnte die Stilübungen, die dadaistisch inspiriert sind, auch als Sach- und Übungsbuch für angehende Autoren bezeichnen.

Zitat: „Die Stilübungen sind ein fintenreiches erkenntnistheoretisches Schachspiel und ein überbordendes Lesevergnügen“, so der Klappentext.

Sehenswert (externern Link): “Stilübungen” bei YouTube

Autor: Raymond Queneau
Verlag:Suhrkamp
Genre:Essay

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