Eine kleine Entdeckung im Buchladen machte ich, als ein weiß-blau gestalteter Einband mit Blumenmotiven, Häuseransichten und dem Schriftzug „Nachtblau“ die Aufmerksamkeit auf sich zog. Mein Interesse war gleich geweckt und nach Sichtung des rückseitigen Covers begriff ich, dass es um Delfter Porzellan und meine Lieblingsfarbe Blau geht.
Delfter Blau
Der Roman widmet sich der faszinierenden Entstehung des weiß-blauen „Porzellans“ aus Delft, dem Delfter Blau, welches im Grunde genommen kein Porzellan aber zinnglasierte Keramik ist. Kaolin, der Grundstoff der Porzellanherstellung, stand damals schlicht nicht zur Verfügung. Bekannt sind auch die Delfter Fliesen, welche sich weltweit und bis in die heutige Zeit einen Namen gemacht haben.
Die Autorin beschreibt das Schicksal der jungen Haushälterin Catrijn in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Holland. Es ist die sogenannte „Goldene Zeit“, als Handwerk und Handwerkskunst eine große Blüte in Holland erlebten. Ganz allgemein bekannt ist die faszinierende Genre-Malerei aus dieser Zeit. Gerade der Maler Jan Vermeer, welcher im Buch sogar auftaucht, ist der Protagonist dieser besonderen Stil- Epoche. Das erinnerte mich sofort an den Roman „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Tracy Chevalier, welcher dann vom britischen Regisseur Peter Webber verfilmt wurde und eine spektakuläre Filmmusik von Alexandre Desplat erhielt. Und dieser Dreiklang von Buch, Film und Musik, waren von derart harmonischer Gestaltung, dass dies mich seinerzeit verzaubert hatte. Beim berühmten Bild von Vermeer ging es der Schriftstellerin damals um die Frage, wer die Frau auf dem Bild ist und sie entwickelt frei eine fiktive Geschichte um die Magd Griet, die dem Maler Vermeer Modell sitzt. Beim Lesen von Nachtblau hoffte ich nun auf eine ähnliche Wirkung. Und es schwang beim Lesen die Besonderheit der goldenen Zeit Hollands mit. Und ich hoffte, dass das erlebte Gefühl mit der nachtblauen Farbe in der neuen Geschichte mitschwingt.
Der richtige Mann
Catrijn, die sehr junge Frau, absolviert nun im Verlauf der Erzählung verschiedene Lebenssituationen und ist begeistert vom Malen. Die Fingerfertigkeit dafür hat sie sich als Kind selbst beigebracht, um dem tristen und ärmlichen Leben der Familie in wenigen Momenten entrinnen zu können. Sie kann gut malen und übt ihr Talent aber nur heimlich aus. Nach vielen Irrungen und Wirrungen mit verschiedenen Männern, wie dem Mann- erste Ehe, dem Mann-Geliebter, dem Mann-Verfolger, dem Mann- zweite Ehe bekommt sie schlussendlich den „Richtigen Mann“. Aber diese Beschreibungen unterstützen nicht den guten Ansatz des historischen Romans und lassen der seichten Belletristik leider den Vorrang. Das ist schade und zieht den Lesegenuss herunter.
Nur bedingt überzeugend
Spannend wird es aber wieder an den Stellen, als sie nach Delft gerät und unter glücklicheren Umständen nicht mehr nur mit Hausarbeiten den Lebensunterhalt verdient, sondern sich für die Bemalung der Keramik interessieren kann. Typisch zu Beginn ihrer Anstellung sind Dekore mit chinesischen Motiven. Sie beschäftigt sich dann auch gemeinsam mit den Angestellten intensiv mit den neuen Herstellungsprozessen, um chinesisches Porzellan nachahmen zu können. Aber dann hat sie Ideen und die Freiheit, mit neuen, und endlich, holländischen Motiven, wie zum Beispiel den Windmühlen und Schiffen an der Küste, zu experimentieren. Das ist die große Chance der gesamten Branche und es werden viele Manufakturen infolgedessen aufgebaut, da die heimattypischen Dekore reißenden Absatz finden. Ob dies wirklich einer zugereisten jungen Frau zuzuschreiben ist, mag dahingestellt sein, es handelt sich ja hier wie oben um eine fiktive Geschichte. Insgesamt überzeugte mich die Geschichte nur bedingt. Am interessantesten sind die Passagen über das Delfter Keramik in typischem Blau und die verschiedenen Motive, Mal- und Brenntechniken.
Yvonne Moebius
Man kann nur gespannt sein, was Yvonne Moebius als nächstes Buch besprechen wird. Ich freue mich darauf!
Eine wunderbar authentische Besprechung!