Born in the GDR – angekommen in Deutschland

von Uta Heyder

Der November 1989 liegt in diesem Jahr 30 Jahre zurück. Die überraschende Öffnung der zuvor 40 Jahre hermetisch versperrten innerdeutschen Grenzen durch die letzte SED-Regierung der DDR ist einer der großen Epochenumbrüche in der deutschen Geschichte. Die individuellen Folgen dieses gesamtdeutschen Ereignisses unterschieden sich aber womöglich für die Menschen östlich und westlich des ehemaligen eisernen Vorhangs erheblich. Die in Erfurt lebende Journalistin Uta Heyder hat sich im 30. Jahr nach dem Fall der Mauer aufgemacht, in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Stimmen ihrer Zeitgenossen einzusammeln, um Lebensumbrüche der Menschen im Ostteil zu dokumentieren.
Dokumentation ist an dieser Stelle auch der in jeder Hinsicht passende Begriff. Denn das Buch, das dabei entstanden ist, nimmt die Tradition der Dokumentarliteratur wieder auf, die in den 1960er und 1970er Jahren einige bedeutende Werke in beiden Teilen Deutschlands hervorbrachte: Zunächst die Bottroper Protokolle von Erika Runge in Deutschland (West), erschienen 1968 bei Suhrkamp, dann in der DDR Sarah Kirschs Pantherfrau (1974, Aufbau Verlag) und Maxi Wanders „Guten Morgen, Du schöne“ (1977, Buchverlag Der Morgen).
Den Werken gleich ist, dass sie dem gesprochenen Wort den Vorzug geben. Für das Lesen ist dies zunächst immer gewöhnungsbedürftig. Denn die schriftliche und die gesprochene Kommunikation unterscheiden sich doch erheblich. Auch bei Uta Heyders Tonbandprotokollen mit ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern der DDR fällt sofort die Sprache auf, das holperige, manchmal auch sprunghafte der Wiedergabe. Und wie bei den früheren Werken der Dokumentarliteratur stellt sich auch hierbei die Frage nach der Intensität der (Nach)bearbeitung durch die Herausgeberin. Natürlich wurden die Texte redigiert. Auch fehlen die Fragen aus den Interviews, so dass sich ein geschlossener Text ergibt, wo eigentlich ein Gespräch stattgefunden hat. Aber das alles stört nicht den Eindruck des authentischen.
Zum 30. Jubiläum des Mauerfalls hat Uta Heyder 30 Personen ausgewählt, 17 Männer, 13 Frauen. Parität ist nicht ganz gelungen, was weniger den Bestrebungen der Herausgeberin als der Mitwirkungsbereitschaft der Protagonisten geschuldet war. Eingeladen zu den Gesprächen waren Menschen, die im Jahr 1989 bereits 30 Lebensjahre hinter sich hatten (plus/minus) und darum nun im gleichen Maße nach Lebenszeit vor und nach dem Umbruch ihr Leben gestalten konnte. Repräsentativ ist die Auswahl nicht, auch wenn sich in den 30 Protokollen eine weite Spanne an Schicksalen wiederfindet, von der späteren Politikerin bis zum heutigen Obdachlosen. Repräsentation war aber auch nicht die Absicht der Herausgeberin, denn Typologien, Klassifizierungen von Schicksalen früherer Bürgerinnen und Bürger der DDR und heutiger Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland könnten auch gar nicht gelingen. Schicksale, Lebensentwürfe und Lebenseinstellungen sind und bleiben individuell. Die DDR verstehen lernen, ist deshalb etwas, was dieses Buch weder leisten kann und noch leisten möchte. Es ist vielmehr angelegt als ein Anstoß, sich für die Biografien der anderen zu interessieren. Und es ist ein guter Anlass, darüber nachzudenken, was der November 1989 mit jedem von uns gemacht hat, egal auf welcher Seite der Mauer wir zuvor lebten.
Born in the GDR – angekommen in Deutschland, Verlag Bussert & Stadeler, Quedlinburg/Jena, 2019, ISBN: 9783942115506

Autor: Uta Heyder
Verlag:Bussert u. Stadeler
Genre:Biographie
Seiten:360
ISBN:9783942115506

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