Blaupause

von Theresia Enzensberger

Im Jahr 2019 jährt sich zum 100. Mal die Gründung der bis heute bekanntesten Gestaltungsschule des 20. Jahrhunderts: Das Staatliche Bauhaus.

In Weimar und Dessau werden derzeit neue Museumsgebäude errichtet. Sieben Bundesländer haben sich zur Initiative Bauhaus 100 zusammengeschlossen, die Bundeskulturstiftung hat einen Fördertopf für Projekte des Bauhaus heute eingerichtet und auch der Kulturbetrieb arbeitet eifrig. Dabei scheint sich dieser in aller Stille auf eine besondere Perspektive auf das Bauhaus verständigt zu haben: Die Frau am Bauhaus. Es wird im Jubiläumsjahr dazu einen Film geben und eine Miniserie, die jeweils eine junge Frau in ihrer Entwicklung am Bauhaus begleiten. Und es liegt seit Herbst 2017 ein Buch dazu vor, ein Debütroman der bisher als Journalistin und Zeitschriftenherausgeberin erfolgreich in Erscheinung getretenen Theresia Enzensberger: Blaupause.

Blaupause – Ein Bauhausroman

Vorweg: Es ist ein gelungenes Debüt, auch wenn sich die Kritik darauf nicht verständigen will. Gelungen ist es, da es bilderreich aber nicht blumig erzählt, da es kulturhistorisch präzise recherchiert wurde, da es eine Affinität zum Bauhaus erkennen lässt, ohne es zu glorifizieren und da es ein mutiges Ende wählt, das der Leser bedauert, aber als durchaus plausibel hinnehmen muss.
Theresia Enzensberger schreibt einen Frauenroman, sie würde es nicht bestreiten. Ein solcher ist aber natürlich immer auch ein Roman über Männer. Das Bauhaus spielt darin eine zentrale Rolle, aber es ist nicht das eigentliche Thema. Es ist eher das Bühnenbild, die willkommene Gelegenheit. Enzensberger bewegt sich am Bauhaus, als hätte sie die Chance gehabt, es selbst zu erleben.

Was zum Gelingen des Romans beiträgt, ist die Ausstattung der Hauptfigur, Luise Schilling. Sie ist keine Bildungsaufsteigerin, die durch das Bauhaus in eine neue Lebenswelt geführt wird, sondern eine höhere Tochter aus Berlin. Der Gang an das Bauhaus ist deshalb eher ein Ausflug und kein existenzielles Suchen im materiellen Sinne. Und so lässt sich die junge Studentin auch auf den Sektenkreis um Johannes Itten ein. Dieser ist im Roman wie in der realen Geschichte eine Art Antipode zu Walter Gropius. An diesem Jüngerkreis erzählt Enzensberger das expressionistische Bauhaus, diese frühe Phase in Weimar. Davon durch einen harten Schnitt getrennt, wird dann im zweiten Teil das Dessauer Bauhaus als das formale, das kühl-rationelle Bauhaus hingezeichnet. Theresia Enzensberger erzählt aber vor allem von der Widersprüchlichkeit der in die Nachkriegsmoderne entlassenen Gesellschaft. Sie zeichnet dabei mit klaren Strichen nach, warum auch das Bauhaus nicht eine neue Gesellschaft konstruieren konnte.

In Enzensbergers Bauhaus sammeln sich die vom Krieg äußerlich und innerlich Gezeichneten, es sammeln sich die internationalen und nationalen Sozialisten, die Antisemiten, die Künstler, die Arbeiterkinder und die Aristokraten. Es ist das Bauhaus wie der Rest eine Vielgestalt aus nicht aufgelösten Klassen- und vor allem Geschlechtergegensätzen. Und Kreativität als Eigenschaft reicht dann doch nicht aus, um sie alle zu verbinden und zu versöhnen. Denn selbst diese Kreativität ist nicht immer auch originell und zudem nur dann erwünscht, wenn sie von der jeweils richtigen Peergroup eingesetzt wird. Dieses Bauhaus ist darum nicht besser als die Gesellschaft, die es verändern will. Damit verweist Theresia Enzensberger auf den gewichtigsten der Gründe für das Scheitern der Utopie vom neuen Leben der neuen Menschen. So führt die Entwicklung der Luise Schilling dann auch nicht in die klassische Katharsis, sondern in die – aber das zu vollenden hieße, den Schluss des Romans zu verraten.

Am Ende jedenfalls bleibt für die Leserin und den Leser ein Blick hinein in das Leben am Bauhaus, wie es tatsächlich gewesen sein könnte. Es bleibt aber auch die Frage, was von dem, was im Roman geschieht, heute anders geschrieben werden müsste, wenn in unseren aufgeklärten Tagen ein Bauhaus eröffnet würde.


Verlagsseite:

«Blaupause» bei Hanser

Autor: Theresia Enzensberger
Verlag:Hanser
Genre:Roman
Seiten:256
ISBN:978-3-446-25643-9

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen