Der Roman «Auf Messers Schneide» wurde im Jahre 1944 unter dem Originaltitel «The Razor’s Edge» veröffentlicht. Er umfasst einen Zeitraum von etwa 20 Jahren und erzählt vom Leben der „Happy Few“ der Zwischenkriegszeit in New-York, London, Paris und an der Côte d’Azur. Der Autor Somerset Maugham tritt selbst als Protagonist in seinem Werk auf.
Die Geschichte handelt von dem jungen Amerikaner Larry Darrell, der als Jagdflieger traumatisiert aus dem 1 Weltkrieg zurückkehrte. Sein Lebensweg ist verwoben mit der einer sehr reichen New-Yorker Familie, mit deren Tochter Isabel er verlobt ist. Sie kennen sich bereits aus Kindheitstagen. Die Verlobung wird jedoch gelöst.
Schwerarbeit als Selbstfindung
Larry will nicht als Geschäftsmann an der Wallstreet arbeiten, sondern sich selbst finden. Darunter versteht er seinen Wissensdurst mit Literatur zu stillen und körperlicher Arbeit nachzugehen. In den Kohlegruben Nordfrankreichs, auf süddeutschen Bauernhöfen und bei einer Wanderung durch Deutschland verdient er ein wenig Geld. So sammelt er Erfahrungen mit dem einfachen Leben. Für seinen Lebensunterhalt genügt ihm ansonsten eine bescheidene Leibrente seines Vaters.
Später bereist Larry Indien. Die Überfahrt verdient er sich als Heizer auf dem Schiff. Dort angekommen geht er in die Schule eines Yogis und versenkt sich in die Mythen und Gelehrsamkeit des Orients. Isabel hingegen pflegt einen aufwendigen Lebensstil mit Empfängen und glänzenden Einladungen. Trotz ihrer Liebe zu Larry kommt eine Verbindung daher nicht mehr in Frage.
Verwoben mit der Geschichte von Larry sind in Nebenhandlungen Berichte über Elliott Templeton, dem Onkel von Isabel. Ein Snob mit den Charakterzügen Swanns aus den „recherche du temps perdue“ von Marcel Proust.
Wenig Handlung «Auf Messers Schneide»
Es geschieht eigentlich recht wenig. Maugham berichtet über seine Protagonisten wie ein Ethnologe. In kleinen Miniaturen schildert er deren Ticks und Neurosen. Trotz all ihrer Skurrilitäten gibt er sie niemals der Lächerlichkeit preis. Das Buch ist zutiefst menschlich.
Ich habe „Auf Messers Schneide“ mit Vergnügen und Gewinn gelesen, ohne mich je zu langweilen. Ich kann es nur weiterempfehlen. Der Autor versteht es meisterlich im Stil englischer Konversationsstücke für die Bühne dem Leser die unterschiedlichen Charaktere nahezubringen. Unmerklich entsteht ein feiner Erzählstrom, der den Leser mitnimmt zu einer Reise in ein vergangenes Jahrhundert. Ein Beispiel:
Elliott ist todkrank, kann es aber nicht verwinden, dass er keine Einladung zu dem exklusivsten Sommerfest der Saison erhalten hat. Der Autor Maugham tröstet ihn damit, dass die Einladung bestimmt noch käme. Auch wenn er weiß, dass dies nicht geschieht. Elliott ist eine Gestalt der Vergangenheit, sein gesellschaftlicher Glanz, mit dem er Feste schmückte, ist verblasst. Maugham versucht gleichwohl die Gastgeberin noch umzustimmen, was misslingt. Er bittet daher deren Sekretärin, Elliott doch noch auf die Gästeliste zu setzen. Er würde die Einladung sowieso nicht mehr annehmen können, da er nur noch kurze Zeit zu leben habe. Aber es würde ihm die größte Freude bereiten wenn er noch eine Einladung erhielte. Die schottische Sekretärin lehnt dies ab, da ihre Herrin Elliott bewusst nicht einlud, um diesen zu kränken. Ihrer Herrschaft gilt ihre unbedingte Loyalität. Allerdings bemerkt sie im Gespräch mit Maugham, dass sie sich jetzt umdrehen werde und in den Park schauen würde. Falls eine Einladungskarte dann fehlen sollte, würde ihr dies sicher nicht auffallen. Und so kam Elliott Templeton doch noch zu seiner Einladung bevor er in seiner Villa an der Côte d’Azur stirbt.