Der Junior

von Jörg W. Gronius

„Der Junior“ ist der zweite Band seiner Autobiographie in drei Bänden. Er handelt von einer Kindheit und Jugend im Berlin der 60er Jahre. Das Buch beginnt mit dem Einzug in die neue Wohnung, ähnlich wie bei Kempowskis „Tadellöser und Wolf“. Man richtet sich ein, macht notwendige Anschaffungen, welche zuletzt durch den Erwerb eines Fernsehempfängers mit Zimmerantenne gekrönt werden. Die Mutter hat einen Sinn für das Praktische. Die Möbel müssen demnach sowohl pflegeleicht als auch komfortabel und vor allem praktisch sein.

Gronius schildert die Spiele der Kindheit auf den Baustellen des Wirtschaftswunders, die sich in die Natur hineinfressen. Als „Junior“ hilft er an der Tankstelle des Vaters. Er verdient sich sein Geld als Schüler und Student bei der Wagenpflege. Sein Service reicht vom Einfetten der Schmiernippel des Opel-Kapitäns über den Wechsel des Ölfilters des VW-Käfers bis hin zur peniblen Innenreinigung der automobilen Prunkstücke der frühen Bundesrepublik. Dem Autor gelingen hier detailreiche Miniaturen, die mit wenigen Strichen eine ganze Welt imaginieren. Das Zeitkolorit wird abgerundet mit den uns heute in erstaunen versetzenden Beschreibungen der damals beliebten Unterhaltungssendungen, wie z. B. dem „Blauen Bock“. Man reibt sich verwundert die Augen und fragt sich, war das so, so absurd und verlogen? Die Antwort lautet „ja“. Gronius Sprache erweckt mit grimmiger Komik jene Zeit wieder zum Leben und holt sie in die Gegenwart. Der „Junior“ wurde gleichwohl nicht Beamter, wie von den Eltern gewünscht, sondern Schriftsteller. Zitat: „Als Beamter hätte man sein ordentliches Auskommen und später eine schöne Pension“.

Der Band ist im besten Sinne ein Bildungsroman. Er führt von der Enge des elterlichen Haushaltes in die Welt der Kunst und Literatur. Diese eröffnet dem „Junior“ neue Möglichkeiten, Räume und Horizonte.
Zitat: „Führer konnten wir nicht mehr werden. Aber den Führerschein sollten wir machen und mal ein schönes Auskommen haben. War das Demokratie?“
„Der Junior“ ist ein lesenswertes und humorvolles Buch. Gleichzeitig ist es aber auch eine Zeitreise in eine zum Glück vergangene Epoche.

„Der Junior“ erschienen 2005 im Weidle Verlag.

Weitere Bänder der Trilogie: „Ein Stück Malheur“ (2000) und „Plötzlich ging alles ganz schnell“ (2007), erschienen ebenfalls im Weidle Verlag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen